Berggorillas in Ruanda

Neue Hotels, neue Luxus-Lodges, absolute Sicherheit: in Afrikas Vorzeigeland Ruanda boomt der Tourismus. Die grösste Attraktion: die letzten 800 lebenden Berggorillas. Es war gegen acht Uhr morgens, als Ranger Francis den entscheidenden Hinweis erhielt. „Sie sind im Bambuswald.“ Das hatten ihm die Fährtenleser über Funk mitgeteilt. Die Verbindung war schlecht. Das Funkgerät rauschte. Der Ranger musste mehrere Male nachfragen, um den Ort richtig zu verstehen. Dann gab er das Zeichen zum Aufbruch. Zuerst schritten wir über grüne Wiesen und Maisfelder.

Neue Hotels, neue Luxus-Lodges, absolute Sicherheit: in Afrikas Vorzeigeland Ruanda boomt der Tourismus. Die grösste Attraktion: die letzten 800 lebenden Berggorillas.

 

Es war gegen acht Uhr morgens, als Ranger Francis den entscheidenden Hinweis erhielt. „Sie sind im Bambuswald.“ Das hatten ihm die Fährtenleser über Funk mitgeteilt. Die Verbindung war schlecht. Das Funkgerät rauschte. Der Ranger musste mehrere Male nachfragen, um den Ort richtig zu verstehen. Dann gab er das Zeichen zum Aufbruch. Zuerst schritten wir über grüne Wiesen und Maisfelder.

Dann wurde der Busch dichter. Wie Kerzen standen die Bambusrohre Spalier. Schließlich kamen wir in einen nach Moos riechenden Dschungel, ein Gewirr aus Ästen, Blättern, Farnen und Lianen. Mit Schwimmbewegungen und Macheten kämpften wir uns vorwärts, bis nur noch Grün vor uns war. Und jetzt knien wir zwischen zehn Meter hohen Bambusrohren. Um uns herum nur Dickicht. Dann drückt Francis den Zeigenger auf die Lippen.

„Da sind sie“, haucht er. Und mit einem Mal stehen sie vor uns, wie aus dem Nichts, die 13 Tiere der Hirwa-Gruppe. Wir ducken uns demütig, wie es Rangniedere zu tun pegen. Der Ranger knurrt wie eine Raubkatze. Munyinya, der Silberrücken, ein Tier von 200 Kilo, die Schultern so breit wie ein Kleinwagen, grunzt zurück. Es ist das Zeichen: Ich habe Euch gesehen, ich tue Euch nichts. Und dann sitzt er einfach nur da: fünf Meter vor uns, völlig unbeeindruckt, so als seien wir seit Lebzeiten beste Freunde.


All das geschieht auf 2400 Metern am Fuße des Vulkans Gahinga. Er ist einer der acht Vulkane der Virunga-Kette im Dreiländereck Ruanda, Uganda und Demokratische Republik Kongo. 1902 entdeckte der Afrika-Forscher Robert von Beringe hier die ersten Berggorillas – eine Sensation. 23 Jahre später wurde am Fuß der Vulkane mit dem Albert National Park der erste Nationalpark Afrikas eingerichtet. Ab 1967 erforschte die US-amerikanische Zoologin Dian Fossey die Tiere im Westen Ruandas. Fast 20 Jahre verbrachte sie im Urwald. Bekannt wurde Fossey durch das Buch „Gorillas im Nebel“ und den gleichnamigen Film. Über ihre Forschungsobjekte schrieb die Forscherin einst: „Die Menschen müssen entscheiden, ob die Berggorillas noch im selben Jahrhundert ausgelöscht werden, in dem sie entdeckt worden sind.“ Sie wurden nicht, auch durch Fosseys Arbeit, denn die Population hat sich mittlerweile erholt. In den 1980er-Jahren gab es weltweit nur noch etwa 200 Tiere. Heute sind es wieder knapp 800, je nach den Wanderrouten der Tiere leben 320 bis 370 davon in Ruanda.

 

Ruanda – ein Land im Aufbruch

Aber Ruanda, war da nicht was? Ja, aber mit Bürgerkrieg und Völkermord macht das zentralafrikanische Land schon lange keine Schlagzeilen mehr. Mehr als 20 Jahre nach Beendigung des blutigen Konikts zwischen der Hutu-Mehrheit und der Tutsi-Minderheit geht es mit Ruanda steil bergauf. Präsident Paul Kagame hat die Bevölkerung geeint und reagiert eines der wirtschaftlich aufstrebensten Länder des Kontinents. Laut „Gallup Law and order report“ gehört Ruanda zu den fünf sichersten Ländern der Welt und ist das sicherste in Afrika.

Und der Tourismus boomt. Erst in diesen Tagen eröffnen in der Hauptstadt Kigali Marriott und Radison Blu zwei neue Häuser. Lodges wie die 2010 gebaute Nyungwe Forest Lodge im Nyungwe-Nationalpark bieten schon seit einigen Jahren höchsten Komfort. Am 1. Juni eröffnet nun auch Wilderness Safaris bei Kingi das erste Luxus-Camp: die Bisate Lodge. Die Fünf-SterneLodge gehört zu den außergewöhnlichsten Afrikas. Am Rande eines erloschenen Vulkankraters gelegen, bietet sie einen einmaligen Blick auf die Vulkane Karisimbi, Bisoke and Mikeno. Die maximal zwölf Gäste kommen in sechs Forest Villas unter. Auf dem zweistöckigen Hauptgebäude thronen drei organisch anmutende Kuppeln, die von Eingeborenenhütten inspiriert wurden.


Doch nicht nur wirtschaftlicher Gewinn, sondern auch der Schutz der Gorillas ist das Ziel. Denn beides ist gerade in diesem Teil Afrikas eng miteinander verbunden. Das Leben als Berggorilla ist gefährlich. Nicht in Ruanda, denn auf dieser Seite der Grenze sind die Tiere sicher. Dafür aber in der nur wenige Kilometer entfernten Demokratischen Republik Kongo. Wandern die Tiere über die Grenze, sind sie dem Abschuss geweiht. Erst 2007 wurden sieben Berggorillas der Rugendo-Gruppe von der Holzfällermaa getötet. In Ruanda passiert so etwas nicht mehr, denn die Regierung in Kigali gibt viel Geld für den Schutz der Tiere aus. Mit Erfolg: Im Parc National des Volcans lebt fast die Hälfte der Weltpopulation von Gorilla berengei berengei in relativer Sicherheit.

Acht habilitierte, also an Menschen gewöhnte Gruppen, gibt es. Nur 64 Menschen am Tag dürfen die Tiere besuchen. Immerhin: Ein Großteil der Besuchergebühr kommen direkt dem Tierschutz zugute. Die Wälder in Ruanda werden heute nicht mehr gerodet, und der Staat bildet ehemalige Wilderer als Gepäckträger, Touristenführer und Ranger aus.

 

ES SIND BLICKE AUS HONIG…

Es ist ein Privileg, die Tiere zu beobachten. Nicht nur, weil sie so selten sind, sondern auch, weil man sich dieses Erlebnis selbst erarbeiten muss. Hat man die Gorillas nach einer, zwei oder drei Stunden mit Hilfe der Ranger gefunden, hat es etwas Meditatives, sie zu beobachten. Der Silberrücken kaut in aller Seelenruhe auf einem Bambusrohr, die Mutter döst im Schatten eines Strauchs. Der Kleinste der 13-köpgen Gruppe, gerade drei Monate alt, sieht aus wie ein pechschwarzes Wollknäuel. Er kugelt mehr, als dass er läuft. Wir können das Weiß seiner Augen sehen, so nah sind wir. Immer wieder sieht er uns an, als wolle er spielen: Es sind Blicke aus Honig.

Es hat etwas Erhebendes, unsere Vorfahren aus nächster Nähe zu beobachten. Mensch und Tier scheinen einander zu verstehen. Zumindest in diesem Moment. Doch nach exakt einer Stunde ist der Zauber vorbei. Ranger Francis blickt auf die Zeiger seiner Uhr und mahnt zum Aufbruch. Munyinya, der Silberrücken, folgt uns noch eine Weile auf dem frisch geschlagenen Pfad, so als wolle er sich verabschieden. Noch einmal drehen wir uns um und blicken durch das fahle Licht unter dem dichten Blätterdach der Urwaldriesen auf unseren Vorfahren. Dann machen wir uns vor Demut schweigend durch das Dickicht auf den Weg zurück ins Tal.

DESIGNREISEN-Tipp: Bisate Lodge