Champagner – Luxus für den Gaumen
1805. Mit nur 27 Jahren übernimmt Barbe Clicquot die Leitung des heute weltberühmten Champagner-Hauses VEUVE CLICQUOT, nachdem ihr Ehemann François Clicquot verstarb. Durch diesen frühen Schicksalsschlag nach nur fünf Jahren Ehe war auch der Name der Marke geboren (Veuve = französisch für Witwe). In einer Zeit, in der Frauen in der Wirtschaft keine Rolle spielten, wurde sie zu einer Pionierin und zur berühmtesten Witwe der Welt. Madame Clicquots Charakter: Kühn und klug. Mit diesen Eigenschaften, schaffte sie es, Geschichte zu schreiben. Sie ließ 1818 den allerersten Rosé-Champagner kreieren. Und noch viel wichtiger: Zwei Jahre zuvor erfand Madame den „table de remuage“, einen Rütteltisch, womit die Hefe beseitigt wird. Der Legende nach soll ihr damals um ein Uhr nachts die Lösung eingefallen sein. Sofort weckte sie ihren Kellermeister und ging mit ihm ins Souterrain. Die Idee war bahnbrechend. So wurde aus dem bis dahin trüben Getränk ein klares Vergnügen für die feine Gesellschaft – und ist bis heute ein Luxus-Symbol.
Durch ihre Erfindung änderten sich auch die Gläser, aus denen man Champagner trank. Jahrelang wurde der noch trübe Champagner hinter farbigen Gefäßen versteckt. Plötzlich kam durchsichtiges Kristall in Mode. Heute liegt das Champagner-Weinglas im Trend und hat sowohl die Champagner-Schale als auch die Flöte abgelöst. Das Geheimnis hinter dem richtigen Glas kennt Maximilian Riedel, Chef der 1756 gegründeten Glaswarenmanufaktur RIEDEL: „Die Flöte nimmt dem Champagner sehr viel seiner Strahl-Kraft weg, sie zeigt ihn nur eindimensional. Dadurch ist nur die Hefe zu riechen“. Und er erklärt, warum auch die Schale nicht die richtige Wahl ist. „Sie sieht zwar chic aus, hat aber keinerlei Funktion. Aufgrund der zu großen Oberfläche, hat man nur Schaum im Mund“, so Maximilian Riedel. Im Champagner-Weinglas dagegen wird sowohl die Komplexität des Getränks als auch das Perlen-Spiel perfekt wiedergegeben. Mit dem Perlen beginnt schließlich das Vergnügen. „Bei manchen Champagnern dienen sie dazu, ihm Energie zu verleihen. Bei Vintage-Champagner unterstützen sie in erster Linie den Geschmack und die Textur des Weins“, sagt Didier Mariotti. Er ist der elfte Kellermeister der Maison VEUVE CLICQUOT, die dieses Jahr ihr 250-jähriges Jubiläum feiert. Getreu dem hohen Anspruch von Barbe Clicquot „Nur eine Qualität – die beste“ setzt der „Chef de Cave“ nun das Erbe der „Grande Dame des Champagners“ in Reims fort.
Erfindergeist und Wagemut bewies auch eine andere Frau in der Champagner-Hochburg Reims – Louise Pommery. Genau wie Madame Clicquot übernahm sie 1858 die Geschäfte ihres verstorbenen Mannes und erschuf ein Imperium. Nachdem Barbe Clicquot bereits die Produktion mit dem Rütteltisch revolutioniert hat, schrieb Madame Pommery 1874 Geschichte mit ihrer Erfindung des ersten „Brut-Champagners“. Es war ein mutiges Unterfangen, denn damals bevorzugte der illustre Trinker-Kreis süßen Wein. Von Anfang an war sie eine Visionärin auf ganzer Linie. Nur wenige Jahre an der Spitze von POMMERY kaufte sie 120 Kreidestollen und ließ diese durch 18 Kilometer lange Gänge, 30 Meter tief unter der Erde, miteinander verbinden – ein gigantischer Weinkeller wurde geboren. 116 Stufen führen in diese unterirdische Stadt, wo heute mehr als 25 Millionen Flaschen Champagner bei konstant 10 Grad lagern. Doch das war nur ein Teil ihrer revolutionären Idee. Madame Pommery wollte außerdem einen repräsentativen Ort schaffen, um Gäste des heute weltweit zweitgrößten Champagner-Hauses zu empfangen. Inspiriert von der englischen Bauweise ließ sie ein imposantes Gebäude aus rotem Backstein mit blauem Putz errichten. Bis heute stahlt die Domaine das aus, was Louise Pommery immer miteinander verbinden wollte: Tradition und Innovation, gepaart mit Stil und Geschmack.
Doch was trinkt nun ein echter Kenner? Didier Mariotti hat darauf eine ganz klare Antwort: „Welchen Champagner man wählt, ist zweitrangig, es kommt in erster Linie darauf an, mit wem man ihn trinkt.“
Interview Didier Mariotti, Kellermeister von VEUVE CLICQUOT
„Champagner braucht Gesellschaft“
Sie sind der 11. Kellermeister bei VEUVE CLICQUOT seit 1772. Das bedeutet, dass jeder Kellermeister im Durchschnitt 25 Jahre geblieben ist. Ist dieser Job eine Lebensaufgabe?
Auf jeden Fall. Das bedeutet, dass ich mindestens die nächsten 20 Jahre in der Maison bleiben werde.
Vor welchen Herausforderungen standen Sie, als Sie die Stelle im August 2019 übernahmen?
Es ist immer eine Herausforderung, wenn man von einer Maison zu einer anderen wechselt. Man muss den Geist der Maison verstehen. Das ist das Wichtigste. Die Frage ist nicht, ob ich persönlich den Wein mag. Es geht darum, eine Mischung zu schaffen, die VEUVE CLICQUOT ist.
Woher kommt Ihre Leidenschaft für Wein?
Ich bin in der Weinbranche aufgewachsen. Beide Seiten meiner Familie waren im Weingeschäft tätig. Mein Vater und mein Großvater besaßen Weinberge auf Korsika. Leider haben sie ihr Geschäft in den 50er Jahren eingestellt. Der Besitz war sehr klein, daher war es zu schwierig. Aber auch meine Mutter und meine Großmutter haben im Burgund Wein produziert. Wein ist ein Teil der französischen Kultur. So war es für mich ganz klar, in der Weinbranche zu arbeiten. Bei MOET & CHANDON habe ich schließlich meine ersten Erfahrungen im Bereich der Weinherstellung gesammelt.
Welche Fähigkeiten braucht ein Kellermeister?
Leidenschaft! Für mich ist das kein Job, ich gehe meiner Leidenschaft nach. Zweitens: Demut! Alles kommt schließlich von der Natur. Sie ist sehr mächtig, also gilt es die Natur zu respektieren und bescheiden zu sein. Wir müssen unsere Böden schützen und nachhaltig wirtschaften. Drittens: Selbstvertrauen! Es ist wichtig, immer eine Lösung zu finden. Demütig zu sein und gleichzeitig Vertrauen in sich selbst zu haben, klingt vielleicht nach einer seltsamen Mischung. Aber für mich ist es das Geheimnis.
Champagner bedeutet Beständigkeit. Wie stellen Sie sicher, dass die Qualität und der Geschmack jedes Jahr gleich sind?
Wir sind eine Gruppe von 10-12 Winzern, ich teste also nicht allein. Es ist wichtig, dass jeder die Weine auf die gleiche Weise testet. So können wir einen guten Wein nach den Erfahrungen der Vorjahre kreieren. Meine Aufgabe besteht letztendlich darin, die Mischung zu bestimmen und zu entwerfen.
Der Prestige-Vintage-Champagner „La Grande Dame“ ist eine Hommage an Madame Clicquot. Inwiefern findet sich ihre Vision in diesem Champagner wieder?
Madame Clicquot war eine Visionärin auf ganzer Linie. Sie erfand den sogenannten „Table de remuage“ (Rütteltisch), um den Champagner zu klären. Und sie war die Erste, die einen Rosé-Champagner kreierte. Bei“La Grande Dame“ versuchen wir, eine ganz besondere Note mit viel Textur zu schaffen. Wir wollten etwas sehr Elegantes mit Energie schaffen. Dieser Champagner ist komplexer als unser YELLOW LABEL.
Eine entscheidende Rolle spielen die Perlen. Wie sollten diese sein?
Die Verkostung beginnt immer mit den Augen. Es ist schön zu beobachten, wie die Perlen vom Boden des Glases nach oben steigen. Die Rolle der Perlen kann auch unterschiedlich sein. Bei manchen Champagnern dienen sie eher dazu, ihm Energie zu verleihen. Und besonders bei Vintage-Champagner unterstützen sie in erster Linie den Geschmack und die Textur des Weins.
Der Trend geht immer mehr in Richtung Nachhaltigkeit. Wird der ökologische Anbau in Zukunft eine größere Rolle bei VEUVE CLICQUOT spielen?
Ja, wir verstärken den ökologischen Anbau. Aber das ist nur ein Teil der Nachhaltigkeit. Wir sollten andere Bereiche nicht vergessen, an denen wir arbeiten müssen, zum Beispiel die biologische Vielfalt, den Schutz der Böden… Wir verwenden bei VEUVE CLICQUOT seit 5 Jahren keine Herbizide mehr in unseren Weinbergen. Wir waren die erste große Maison in der Champagne, die das geändert hat.
Inwiefern beeinflusst der Klimawandel die Champagner-Produktion?
Die globale Erwärmung wirkt sich sehr stark darauf aus. Die Winter sind nicht mehr so kalt wie früher. Letztes Jahr hatten wir im Juni und Juli sehr viel Regen. Das war sehr überraschend. Wegen des Regens hatten wir im Weinberg einen großen Druck wegen des Pilzbefalls. Die Weinlese beginnt früher als damals. Vor 20 Jahren startete die Ernte Mitte September, vielleicht sogar Ende September. Heute beginnen wir bereits Ende August. Die Dinge ändern sich ziemlich schnell. Für uns ist es sehr wichtig, den richtigen Zeitpunkt zu wählen. Man braucht das perfekte Gleichgewicht zwischen Zucker- und Säuregehalt.
Können Sie schon abschätzen, wie die Ernte dieses Jahr wird?
Das ist noch zu früh. Die Natur ist viel mächtiger als wir. Ich kann also nichts vorhersagen. Trotzdem bin ich immer optimistisch. Ich möchte keine Energie auf etwas verschwenden, das ich nicht ändern kann. Wenn wir eine schlechte Ernte haben, muss ich eben mein Bestes tun, um daraus dennoch einen hervorragenden Champagner zu machen.
Wann ist die wichtigste Phase für die Traube?
Juni, Juli und August sind sehr entscheidend. Wenn wir einen sonnigen Sommer haben, könnten wir dieses Jahr eine gute Ernte einfahren. Aber letztes Jahr hat es Anfang Juli viel geregnet, so dass wir in diesen zwei, drei Wochen etwa 20 % der Ernte verloren haben.
Was macht für Sie einen guten Champagner aus?
Das ist etwas sehr Persönliches. In meinem Fall hängt es vom Tag ab, der Tageszeit, meiner Stimmung und den Menschen, mit denen ich zusammen bin. Für mich ist der beste Weg, um einen schlechten Tag in einen guten zu verwandeln, eine Flasche Champagner zu öffnen und sie mit Freunden zu teilen. Beim Champagner geht es ums Teilen und um die Gesellschaft. Ich denke, wir müssen aufhören, den Menschen vorzuschreiben, was ein guter Champagner ist. Es sollte ihre eigene Entscheidung sein. Welchen Champagner man trinkt, ist zweitrangig, es kommt in erster Linie darauf an, mit wem man ihn trinkt.
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